Versicherung sowie Sandsäcke für jeden Haushalt gefordert:
Totenstille herrschte zum Beginn des sechsten DAKA Dialoges im Plenarsaal der Stadt Innsbruck als ein Video von der Naturkatastrophe 2005 eingespielt wurde. Überwiegend schlimme Erinnerungen an diesen Sommer tauchten in den Köpfen der Anwesenden auf. Es waren aber auch gute – Solidarität, Logistik, Zusammenhalt, Nachbarschaftshilfe. DAKA Geschäftsführerin Barbara Zitterbart begrüßte die rund 150 Anwesenden und konfrontierte sie mit dem Thema: Was hat Tirol aus der Unwetterkatastrophe 2005 gelernt. 592 Millionen Euro Schaden sowie viel menschliches Leid ist die ernüchternde Bilanz des Tiroler Katastrophensommers 2005.
Extremwerte bei Wetter immer höher
„65.400 Einträge werden bei der Suche nach dem Wort Umweltkatastrophe 2005 im Internet gefunden“ analysiert Moderator Dr. Helmut Brandstätter und wirft die Frage auf, ob wir uns zukünftig darauf einstellen sollten, dass Naturkatastrophen etwas Tagtägliches werden. „Naturkatastrophen hat es in Tirol schon immer gegeben“, entgegnet HR Dr. Karl Gabl von der Zentralanstalt für Meteorlogie und Geodynamik. Jedoch sei aus den Aufzeichnungen klar ersichtlich, dass auch Tirol den klimatischen Wandel zu spüren bekommt. In den letzten 150 Jahren ist beispielsweise ein Temperaturanstieg zu verzeichnen. Dies ist mit ein Grund, weshalb die Schneedeckenandauer kürzer geworden ist und wir im Gegenzug dazu eine rund 10%ige Zunahme der Neuschneehöhen beobachten können. Auch die Zahl der Gewitter hat in den letzten 50 Jahren leicht zugenommen. Dies sind Voraussetzungen für mögliche Katastrophen im Winter durch Lawinen und im Sommer durch Überflutungen oder Muren. Durch das gute Warnsystem ist es jedoch laut Dr. Karl Gabl in Zukunft möglich, sehr präzise Prognosen zu erstellen und Frühwarnungen zu machen. Trotzdem ist es nicht möglich, solche Katastrophen zu verhindern, da es statistisch gesehen immer höhere Extremwerte bei Schneefall, Regen oder Wind geben wird. „Wir müssen uns mit den Gegebenheiten in Tirol abfinden und versuchen, so gut wie möglich mit solchen Extremwerten umzugehen.“ resümiert Dr. Karl Gabl.
Katastrophen verlangen logistisches Know-how
Viele positive Erfahrungen konnte Geschäftsführer Dir. Helmut Hochfilzer von Spar aus der Katastrophe gewinnen. „Die Unterstützung der freiwilligen Feuerwehren sowie des Österreichischen Bundesheeres war einzigartig. Nur mit dieser Einheit war es uns möglich, unsere Zentrale in Wörgl, die unter Wasser stand, innerhalb von nur fünf Tagen wieder für den Alltag sicher zu machen“. Die Katastrophenbewältigung war für Hochfilzer ein enormes Logistikthema. Hochfilzer sieht Spar als Logistiker. Von Wörgl aus werden täglich 270 Sparmärkte in Tirol und Salzburg mit Waren beliefert. Plötzlich stand diese Zentrale unter Wasser. Hochfilzer und sein Team reagierte rasch und installierte sofort einen Krisenstab, der über Nacht sicherstellte, dass die 270 Sparmärkte vom Lieferausfall nicht betroffen wurden. Ein Netzwerk im Hintergrund begann sofort damit, die tägliche Lieferfähigkeit sicherzustellen, am Standort Wörgl schnellstmöglich Geröll und Müll sowie die durchnässte Ware zu entsorgen sowie innerhalb weniger Tage wieder in Betrieb zu nehmen. „Dank des hervorragenden strategischen Partners DAKA war es möglich, dass wir unsere Vorgabe, in zehn Tagen wieder betriebsfähig zu sein, um 50 % unterboten haben“ ist der Spar Geschäftsführer sichtlich stolz. Auch die Behörden waren vorbildlich, so wurde während dieser Katastrophe etwa teilweise das Wochenendfahrverbot außer Kraft gesetzt, damit die Arbeiten bei allen Geschädigten so rasch wie möglich abgeschlossen werden konnten.
Neubewertung von Hochwasserschutz
Auch seitens des Landes Tirol gibt es seit dem Ereignis im August 2005 einige Neuerungen. „Der Hochwasserschutz muss in Tirol seit der Unwetterkatastrophe neu bewertet werden“ ist Landesrat Hannes Bodner überzeugt. Schutzbauten stoßen finanziell und technisch an ihre Grenzen. Aus diesem Grund ist es wichtig einen Hochwasserrückhalt im Gebirge sowie Hochwasserrückhalteflächen im Tal zu schaffen. Bodner könnte sich durchaus vorstellen einen Teil der Überflutungsflächen dem Inn zurückzugeben, um weitere Katastrophen weitgehend zu vermeiden. Dies könne natürlich nur im Einvernehmen mit den Grundeigentümern und Gemeinden passieren. Hierfür wird ein Masterplan im Landhaus erstellt. Neben dem Wiederaufbau – hier wurden mehr als 30 Millionen Euro in den Bezirken Reutte, Imst und Kufstein verbaut – haben Prognosemodelle sowie ein Katastrophenfrühwarnsystem für das Land hohe Priorität. Schulungen von Einsatzleitern und Feuerwehren sowie Informationen zum Richtigen Verhalten der Bevölkerung werden laufend organisiert. Neues Katastrophengerät wie Sandsäcke oder Wasserbausteine wurden angeschafft und an entsprechenden Stellen gelagert. Ein weiterer wichtiger Punkt ist für Bodner der Ausbau der Wasserkraft als wesentlicher Beitrag zum Schutz der Bevölkerung vor Katastrophen.
Naturkatastrophen nur mit Hilfe des Landes versicherbar
Walter Schieferer, Vorstand der Tiroler Versicherung, sieht die Katastrophe aus Sicht der Versicherer nüchtern. Was bleibt, ist die Gewissheit, dass von den mehr als 500 Millionen Euro Schaden nur ein Bruchteil durch Katastrophenfonds und Versicherungen abgedeckt wurde. Weiters liegt das Problem für Schieferer darin, dass lediglich 5 Prozent der Tiroler gegen Hochwasserschäden versichert sind, davon nur 1 Prozent gegen Totalschaden im Fall eines Hochwassers. Schieferer ist aus diesem Grund für eine Pflichtversicherung nach Schweizer Vorbild, das auf dem Grundprinzip jeder Versicherung aufbaut: Der Solidarität.
In der Schweiz sind die Gebäude verpflichtend zum Neuwert gegen Schäden aus Naturkatastrophen versichert. Das funktioniert, weil jeder Beiträge leistet, die für den Einzelnen wenig Belastung darstellen. Die von Katastrophen Betroffenen sind auf Basis dieses Solidarbeitrages aber nicht darauf angewiesen, auf Spenden und der Höhe nach ungewisse Zuwendungen aus staatlichen Fonds hoffen zu müssen. Da das Modell nicht 1:1 kopierbar ist, denkt Schieferer ein ppp-Konzept an. Die Partnerschaft zwischen staatlichen Rahmenbedingungen und privater Versicherungsleistung ist ein erstrebenswertes Modell, das Schäden aus Naturkatastrophen künftig finanziell bewältigbar erscheinen lässt.
Bundesheer wichtiger denn je
Auch Verteidigungsminister Günther Platter ist der Meinung, dass eine Versicherung für jeden ein Muss sein sollte. Aber trotz Versicherungsschutz geht es bei Katastrophen darum, rasch und unbürokratisch zu helfen. In ländlichen Bereichen übernehmen diesen Dienst meist die freiwilligen Helfer von der Feuerwehr, Bergwacht oder dem Roten Kreuz. Für längere Einsätze sind die Einsatzkräfte des österreichischen Bundesheeres jedoch wichtiger denn je. So wurden im August 2005 in Tirol mehr als 280.000 Arbeitsstunden von Soldaten verrichtet, 6.800 Personen evakuiert, 30.000 Portionen Essen zubereitet und mehr als 700 Tonnen Material mit Hubschraubern transportiert. Solche Einsätze werden aber nicht nur im Inland verrichtet. „Das Österreichische Bundesheer ist so gut organisiert, dass wir innerhalb von zwölf Stunden in jedes Katastrophengebiet der Welt fliegen können“ so Bundesminister Günther Platter. Aufgrund der größten Heeresreform aller Zeiten ist man zukünftig für solche Einsätze noch besser gerüstet. Bei gleichem Personalstand sind zukünftig 4.000 Soldaten mehr in der Truppe. So ist es jederzeit möglich, 14.000 Soldaten für Kriseneinsätze zur Verfügung zu stellen. Investitionen in Pionierbrücken, Faltstraßen, Baumaschinen, Brückenlegepanzer oder Autokräne dienen dazu, noch schneller und gezielter bei Unwetterkatastrophen helfen zu können.
Für DAKA Prokurist Martin Klingler ist es vor allem wichtig, „dass die Bevölkerung darüber informiert wird, wie man sich für solche schlimmen Ereignisse vorbereiten kann“. Für ihn ist es von größter Wichtigkeit, dass jeder Bürger, der in einem kritischen Bereich wohnt, neben einer Versicherung vor allem Schaltafeln oder Sandsäcke im Keller lagert, um sein Eigentum „beschützen“ zu können.